Schneidearbeiten in der Rohbauphase
In allen vier Türmen mußten zur Belichtung Lichtbänder in die historische Fasade gefräst werden.
An der besonderen Beschaffenheit der Ziegel war sogar das Bundesdenkmalamt interessiert. Von Bauleiter
Ing. Klaus Enser wurde aber skeptisch folgendes angemerkt: "500 Ziegel sollen wir für die rauslösen.
Wir bringen nicht einmal einen heil heraus".
Abgesehen von diesem Problem sollte man aber auch folgendem Detail besondere Beachtung schenken:
Ein Lichtband sollte 15 Meter hoch, an der Innenseite drei Meter und an der Außenseite einen Meter breit sein.
So ein herausgelöster Block bringt an die 60 Tonnen auf die Waage und dies in einer beachtlichen Höhe
über dem Boden.
Die 16 Geschosse im Gasometer C ruhen, um die Kalotte (konvexe Bodenplatte) abzugleichen, auf kreisförmigen Fundamentriegeln mit zum
Mittelpunkt niedriger werdenden Höhen. Dieser Hohlraum zwischen den Fundamentriegeln wird als
Haustechnikverteilerebene genutzt.
In Gasometer D mit 18 Geschossen ist die Gründungsvariante vom Prinzip her dieselbe, nur, dass die Hauptlasten über das im Kern,
d.h. im Mittelpunktbereich, befindliche Stiegenhaus abgeleitet werden.
Um die Infrastruktur, Zufahrten, Versorgungs-, Flucht- und Belichtungsflächen zu gewährleisten, muss die bestehende Hülle massiv durchörtert werden. Dies bedingt umfangreiche Aussteifungs-, Verstärkungs- und Abfangkonstruktionen, bevor die Abbrucharbeiten durchgeführt werden können. Im unteren und von außen unsichtbaren Bereich waren sämtliche Durchbrüche laut Vertrag durch Seilschnitte herzustellen. Vor allem im Bereich der Berme, d.h. des Schüttkegels, bestand aber kein besonderer Anspruch an die Oberflächen der Ziegelschnittflächen, weshalb der Großteil der Flächen tragende Betonvorsatzschalen erhielt.
Erschwerend war, dass im Bereich der ehemaligen Wasserfüllung das Ziegelmauerwerk mit dem Mörtel einen optimalen Verbund
einging und ein nahezu monolitischer Verband entstand. Dies machte das händische Herauslösen des Mauerwerkes unmöglich.
In Zusammenarbeit mit der Firma Herzer wurde die Idee geboren, das Mauerwerk mittels Frästechnik aus den Gasometern zu lösen.
Dazu wurde auf einen 30-t-Hydraulikbagger ein 1 Meter breiter und im Durchmesser 60 cm dicker Fräskopf montiert, mit dem gleichzeitig
sowohl der Abbruch als auch das Profil der Durchbrüche hergestellt wurde. Die Genauigkeit der Seitenwände der Durchbrüche mit
dieser Methode belief sich auf +/- 5 cm. Dies war für die vorbetonierten Abfangungen ausreichend.
Der zweite Bereich der Schneidearbeiten umfasst die oberhalb der Berme liegenden Durchbrüche. Dies sind etwa 15 m hohe, parallel
zu den Verstärkungspfeilern des Gasometers verlaufende Fensterschlitze mit einem trapezförmigen Grundriss von 1,50 m²
Grundfläche.
Außerdem sind knapp unterhalb des Attikabereiches vorhandene Rund- und Segmentbogenstrukturen für Fensteröffnungen abzubrechen.
Deren Herstellungsgenauigkeit war wegen der Sichtbarkeit an den denkmalgeschützten Bereichen wesentlich höher.
Bevor mit den massiven Schneidearbeiten in der Hülle begonnen werden durfte, waren in drei Ebenen Aussteifungsringe zu
betonieren. Die Technik hierfür wurde wie folgt gewählt: Durch Felsanker-Spreizeinheiten wurden in der Gasometerhülle
Faltbühnen als Arbeitsgerüst montiert, der Schlitz für den Versteifungsring gesägt und im Anschluss abgebrochen. Das Abbruchgut
wurde in herkömmlichen Schuttrohren bis zu den Containern transportiert.
Um einen Verbund zwischen dem Ring und der Hülle zu gewährleisten, mussten vor Inangriffnahme der Bewehrungsarbeiten Rippenanker
in die geschnittenen Schlitze geklebt werden. Danach wurden von denselben Arbeitsbühnen in Abschnitten von 45
Meter die
Versteifungsring- Elemente bewehrt, geschalt und betoniert. Im Anschluss an das Betonieren der Ringe konnte mit den
Schneidearbeiten für die hohen Fensterschlitze mit Seilsägetechnologie begonnen werden. Um die für den Seilschnitt
erforderlichen Führungsbohrungen herstellen zu können, mussten in mehreren Ebenen Gerüstbühnen in derselben Aufhängemethode wie
für die Aussteifungsringe montiert werden. Nach Herstellung dieser Bohrungen konnten die Seil-Leitrollen montiert, das Seil
eingefädelt und der Schnitt hergestellt werden. Wesentlich für die Oberflächenqualität des Schnittes ist die exakte Parallelität
der beiden Führungsbohrungen sowie die optimale Abstimmung des Seils auf die Materialqualität des zu schneidenden Materials.
Um die Gesamtstabilität der Hülle nicht zu gefährden, sind nach Durchführung der Schnitte die Schnittkörper mit Hartholzkeilen
gegen das Restmauerwerk auszukeilen. Nachdem dann der Rohbau die Versteifungsringebenen erreicht hat, kann mit dem Abbruch des
Fensterschlitzmauerwerkes unterhalb des jeweiligen Versteifungsringniveaus begonnen werden.
Die BSSW GmbH mit Firmensitz in Berlin wurde für die notwendigen Bohr- und Durchbrucharbeiten herangezogen. Dabei kamen hoch entwickelte Seil- und Zirkelsägen zum Einsatz (Clip 1, Clip 2). Mittels der Seilsägetechnologie können Bauteile mit nahezu unbegrenzter Schnittfläche demontiert werden. Auf ein Stahlseil aufgefädelte Diamantringe bilden das sogenannte Diamantseil, das angetrieben durch einen Seilsägeautomaten und geführt durch eventuell erforderliche Kernbohrungen um jedes beliebige - zu entfernende - Bauteil gelegt werden kann.
Im unteren Bereich der Gasometer wurden Öffnungen, die später sowohl dem Zugang zum Gebäude als auch der Verbindung zwischen den Gasometern dienen sollten, erstellt. Die Ausmaße dieser Öffnungen betragen 5,00 m x 5,00 m. | |
Soweit ein Zugang möglich war, wurden die Seilsägearbeiten durch Fräsarbeiten unterstützt. | |
Im mittleren Bereich der Gasometer wurden wurden insgesamt 36 Stück 15 m lange Aussparungen in die 1,05 m starke Fassade geschnitten. Die trapezförmige Grundfläche misst 2,01 m x 1,16 m x 1,03 m x 1,16 m. | |
Im oberen Drittel (7. bis 10. Obergeschoss) der historischen Zylinder bildeten die Seil- und Zirkelsägearbeiten
den Abschluss dieser Arbeiten. In 32 m Höhe wurden je Gasometer 90 Stück so genannter Segmentbogenfenster und darüber liegend
nochmals 90 Stück Rundbogenfenster ausgeschnitten. Nach Aussage der durchführenden Firma wären diese Umbauarbeiten noch vor wenigen Jahren nicht in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen durchführbar gewesen. |