Wie alles begann...

Die Verwendung von Gas hat in Wien eine lange Tradition. Das erste Wiener Gaswerk baute der Direktor des Polytechnischen Instituts in Wien, L. Prechtl, im Jahre 1818 beim Kärntnertor. Die Inbetriebnahme der Anlage erfolgte am 8. Juli. Im selben Jahr wurden in der Walfischgasse, Krugerstraße und der Kärtner Strasse die ersten Gaslaternen zur Beleuchtung aufgestellt. Am 1. Mai 1865 wurde die Gasbeleuchtung der Wiener Ringstraße feierlich in Betrieb genommen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits sechs Gaswerke in Betrieb: Belvedere, Erdberg, Fünfhaus, Währing, Roßau, Zwischenbrücken-Tabor. Neben dem gewonnenen Gas stellten diese Anlagen auch Koks für die Bewohner her.
Die technische Überlegenheit der englischen "Imperial Continental Gas Association" ermöglichte es der Firmenleitung, nach einem Vertragsabschluß mit der Wiener Stadtverwaltung, den größten Teil der Wiener Gasversorgung zu übernehmen. Die Stadt Wien schloss zwischen 1845 und 1875 mit der I.C.G.A. insgesamt drei Verträge über die Gasversorgung ab. In dieser Zeit entstanden noch Gaswerke in Floridsdorf, Baumgarten-Hütteldorf und Wienerberg. Das Auslaufen des letzten dieser Verträge war mit 31. Oktober 1899 terminisiert. Ab dem Jahr 1842 begann der großflächige Ausbau der Gasbeleuchtung. Im Jahr 1855 erbaute die neu gegründete "Österreichische Gasbeleuchtungs-Aktiengesellschaft" ein Gaswerk in einem Wiener Vorort. Die erste öffentliche Gasbeleuchtung in Simmering konnte am 22. Mai 1858 in Betrieb genommen werden. Im Jahr 1872 wird die "Wiener Gasindustriegesellschaft" am Wienerberg, welche sich mit der 1855 gegründeten Gesellschaft vereinigt, gegründet. Diese Gesellschaft versorgte Wien bis 1940 mit Gas.
Im Jahr 1892 zerstritten sich die Stadtväter des kaiserlichen Wiens mit der englischen "Imperial Continental Gas Association", dem einzigen Gasversorger der Hauptstadt, endgültig. Durch die Kündigung des Vertrages blieb den Stadtvätern keine andere Möglichkeit, als ein eigenes Gaswerk zu bauen. Weiters drohte durch die Eingemeindung der Vororte der wertvolle Rohstoff knapp zu werden. Daher beschloss im September 1893 die Stadtverwaltung die Errichtung von kommunalen Gaswerken. Im selben Jahr wurde Ing. Theodor Herrmann mit der Erarbeitung eines Detailprojekts beauftragt. Er erarbeitete jedoch ein gänzlich neues Konzept - die zentrale Versorgung durch ein Großgaswerk. Im Oktober 1896 wurde der endgültige Baukonsens zur Errichtung erteilt. Am 28. Dezember 1896 erfolgte der Spatenstich zum Bau der Gasometer. Zu Beginn der Bauarbeiten machte der hohe Grundwasserspiegel der nahe liegenden Donau Schwierigkeiten, weshalb das notwendige Wasser-Bassin nur 5 Meter in die Tiefe reicht. Am 17. Juli 1899 wurden die ersten vier Gasbehälter in Simmering fertig gestellt. Die feierliche Eröffnung wurde von Bürgermeister Dr. Lueger und Herrn Dipl.-Ing. Kapaun durchgeführt. Die Einweihung des Gaswerks oblag Bischof Schneider.

   

In der Nacht zum 31. Oktober 1899, mit dem Glockenschlag 12 Uhr, strömte zum ersten mal das stadteigene Gas aus dem Simmeringer Werk. In der gesamten Presse wurde die Herstellung eines 700 Kilometer langen Straßenrohrnetzes, die vollständige Neueinrichtung der öffentlichen Straßenbeleuchtung in der knappen Zeit von drei Jahren wie auch die klaglose Inbetriebsetzung der neu geschaffenen Anlagen als einmalige organisatorische und technische Meisterleistung des städtischen Bauamtes gewürdigt, an dessen Spitze Oberbaurat Ing. Franz Kapaun stand. An der Ausführung und Einrichtung der umfangreichen Anlagen waren zahlreiche in- und ausländische Firmen beteiligt. Die Lieferung und Montage der eisernen Behälterglocken übernahm die Firma Ignaz Gridl. Weiters waren die Firmen R. Ph. Waagner in Wien, Berlin-Anhaltische Maschinenbau-A.-G. in Berlin, Kölnische Maschinenbau-A.-G. in Köln-Bayenthal, Dampfkessel- und Gasometer-Fabrik vormals A. Wilke & Co. in Braunschweig und F. A. Neumann in Eschweiler am Gesamtprojekt beauftragt. Die Firma Gridl führte auch eines der vier Behälterdächer aus, die anderen stammen von Anton Birö, Albert Milde & Co. und R. Ph. Waagner.

Das Gaswerk war auf eine tägliche Gaserzeugung von 432.000 Kubikmeter ausgerichtet.
Die Dimension der Gasbehälter von ca. 75 Meter Höhe, einem Innendurchmesser von 62,8 Meter, 90-540 cm dicken Ziegelmauern mit 47 Millionen Ziegeln, 75.000 m³ Erdaushub, 17.500 m³ Beton und einem Fassungsvermögen von je 90.000 m³ setzten weltweite Maßstäbe. Es waren bis zu 1.630 Arbeiter pro Tag im Einsatz. In nur 84 Tagen wurde die Außenhülle aus Ziegeln der ersten Behältergruppe gefertigt. Die zweite Gruppe folgte in 72 Tagen. Im Gegensatz dazu benötigte man für die 160 Tonnen schwere Dachkonstruktion durchschnittlich 29 Tage, die nach Vollendung der Bassins montiert und während der Ausführung der Gebäudemauern durch Schraubenwinden jeweils einen Meter emporgehoben wurde. Für die schnelle Bauausführung erhielten die Ausführenden Prämien von 40.000 Kronen.

   


Die Konstruktion der Kuppeln bestand aus einem Zug- und einem Druckring, in die 36 Hauptträger eingebunden waren. Diese wiederum waren durch Flachstahlwinkel und Windverbände miteinander verbunden. Zur Versteifung der Konstruktion waren auf die Stahlkonstruktion Pfetten, die auf den Knotenwinkeln stumpf auf Gehrung gestoßen waren, montiert. Auf diesen Pfetten war eine einzollige Rauhschahlung angebracht, die mit einer Bleiblech-Leistendeckung eingedeckt war. Der Stich der Kuppel vom Scheitel bis zum Druckring betrug rund 15 Meter. Zur Verankerung der Wartungsbühne, die entsprechend der Krümmung der Kuppel die gesamte Untersicht bestreichen konnte, war in der Laterne ein Stahlhängewerk angebracht, in dem die Welle der Bühne verankert wurde. Ursprünglich bestand das Dach der Gasometer aus einer Holzverschalung, welche mit einer Zinnblechverkleidung eingedeckt war.
Im Gegensatz zu anderen Gasometer-Standorten legten die Wiener Wert auf das Erscheinungsbild der Anlage. Eigentlich wäre für den Betrieb nur eine Stahlkonstruktion, innerhalb der die Gasglocke untergebracht ist, notwendig gewesen. Ein später gebauter Fünfter Gasbehälter war genau nach diesem System errichtet.


Im Boden jedes Gasometers  befand sich eine 33,6 Meter hohe Stahlglocke. Durch Verbrennung von Kohle in den 180 Ofenhäusern wurde Gas erzeugt. Dieses gelangte durch Röhren in das Kondensatorhaus, wo es in Hohlzylindern abgekühlt und danach in das Gassaugerhaus (Exhaustorgebäude) geleitet wurde. Durch eine unterirdische Schiebekammer gelangte es schließlich in die Behälterglocke, die in ein mit Wasser gefülltes Bassin getaucht war und für einen gleichmäßigen Gasdruck für die Verbraucher sorgte. Diese bewegliche Glocke bestand aus zwei 11,6 Meter hohen Teilen, die durch den Gasdruck wie ein Teleskop ineinander geschoben wurden. Jede dieser vier Glocken wog 578 Tonnen. Das Gas selbst hatte durch diese Konstruktion nie Kontakt mit dem Mauerwerk. 


Der Name "Gasometer" stammt von den Uhren, die noch heute auf der Außenwand ersichtlich sind und die Höhe des Gasstandes = Höhe der Glocke anzeigten. Diese Uhren waren sehr groß dimensioniert, damit man den Gasstand auch aus einiger Entfernung des Gaswerkareals ablesen konnte.

Im ersten Betriebsjahr (1900) wurden 78 Millionen Kubikmeter Gas produziert.